Projektskizze zur Gründung von Stiftungen "Bodenfreiheit"

von Thomas Mayer, 1997

Ziel dieser Projektskizze ist:

  • Befreiung der Bodennutzung von der Spekulation.
  • Gründung einer gemeinnützigen Stiftung zur Neutralisierung von wirtschaftshemmenden Boden-Spekulationsgewinnen sowie Verbilligung und Optimierung der Bodennutzung.
  • Schaffung einer langfristigen und stabilen Finanzierungsquelle für soziale Aufgaben der Kommunen.

Kommunen könnten eine gemeinnützige Stiftung Bodenfreiheit gründen, die zunächst Besitzer allen kommunalen Grundes wird und im Laufe der nächsten Jahrzehnte weiteren Grund aufkauft. Diese Stiftung stellt diesen Grund in einem verbesserten Erbpachtmodell (ohne die Nutzung zu beeinflussen) gegen eine Nutzungsgebühr zur Verfügung. Dadurch sinken letztlich die Grundstückskosten und es werden Spekulationsgewinne verhindert, was unternehmerische Aktivitäten belebt. Mit der Nutzungsgebühr werden neben weiteren Grundkäufen, soziale Dienstleistungen finanziert. Parallel mit dem Beginn der Boden-Stiftung sollte die Grundsteuer nur noch auf den Boden und nicht mehr auf die Gebäude bezogen und erhöht werden.

Probleme unserer Bodenordnung

Eines der größten wirtschaftlichen Hemmnisse ist unser bestehendes Bodenrecht. Der Bodenpreis hat sich in den letzten Jahrzehnten vervielfacht. Der Grundstücksanteil an den Wohnungskosten erreicht manchen Orts bereits Größenordnungen von 30-50%. Wären nicht die immensen Subventionen - von Mietbeihilfen, Baukostenzuschüssen, Zinssubventionen bis zu Steuervergünstigungen-, so käme jeder Wohnungsbau zum Erliegen. Dennoch sind Neubauwohnungen für Normalverdiener unerschwinglich geworden.

Innerhalb der gewerblichen Wirtschaft schlagen sich die erhöhten Bodenpreise durch höheren Kapitaleinsatz nieder. In der Landwirtschaft ist es überhaupt unmöglich geworden, den Kaufpreis aus den landwirtschaftlichen Erträgen zu verzinsen oder zu amortisieren. Die hohen Bodenpreise machen es den Gemeinden und Städten immer schwerer, kommunale Aufgaben zu erfüllen, da die Entschädigungswerte, die sich in Deutschland am Verkehrswert orientieren, jedes Vorhaben gewaltig verteuern.

Alle Gruppierungen zusammen geraten damit in einen immer größer werdenden Leistungs- bzw. Kostendruck und erhöhen ihrerseits wiederum den Druck auf Preise und Einkommen. Die im gegenwärtigen Bodenrecht vorgesehene freie Verkäuflichkeit von Grund und Boden schlägt für immer mehr Mitglieder in unserer Gesellschaft in eine faktische Nichtkäuflichkeit um.

Es wird immer deutlicher, daß der Bodenmarkt nur formal dem gängigen Marktbegriff entspricht. Boden ist keine Ware, denn er ist nicht erzeugt und damit kein Ausdruck einer erbrachten Leistung. Der Boden steht von Natur aus für die ganze Gesellschaft als Produktionsfaktor und Existenzgrundlage zur Verfügung.

Damit ein Markt funktioniert, müssen Angebot und Nachfrage reaktionsfähig sein. Boden läßt sich aber nicht vermehren. Demgegenüber steht bei wachsender Bevölkerung ein wachsender Bodenbedarf. Statt Marktausgleich gibt es auf dem Bodensektor nur die Einbahnstraße der Verteuerung.

Wenn Boden aber keine Ware ist, d.h. ein erzeugtes Gut, dann kann man ihn auch nicht einfach verkaufen und kaufen. Er ist im eigentlichen Sinne unverkäuflich, d.h. seine Übertragung muß kaufpreislos erfolgen. Wie könnte ein solches neues Bodenrecht, wie es in der Stiftung Bodenfreiheit praktiziert werden soll, konkret aussehen? Die folgende Beschreibung baut auf den Arbeiten des Unternehmensberaters Udo Herrmannsdorfer auf.

Arbeitsweise der Stiftung Bodenfreiheit:

1. Ziel:

Grund und Boden sind unverkäuflich. Die Übertragung von Grund und Boden erfolgt kaufpreislos. Nicht berührt davon ist die Käuflichkeit der Bebauungen.

2. Nutzungseigentum:

Grund und Boden soll nicht mehr verkäuflich, sondern nur noch nutzbar sein. Grundbesitzer wird die gemeinnützige Stiftung Bodenfreiheit. Diese darf nach der Stiftungssatzung den Grundbesitz niemals wieder verkaufen, sondern überläßt in einem verbesserten Erbpachtmodell den Grund Nutzern. Die Stiftung Bodenfreiheit hat dabei keinerlei Eingriffsmöglichkeiten auf die Art der Nutzung oder auf die Übertragung der Nutzungsrechte auf andere Nutzer. Das Nutzungseigentum entspricht, außer der Möglichkeit durch den Verkauf des Bodens Gewinne zu erzielen, dem herkömmlichen Eigentum.

3. Nutzungsabgabe:

Für die Überlassung des Bodens wird eine Nutzungsabgabe festgelegt, deren Höhe an dem Verkehrswert des Grundes sowie an sozialen Gegebenheiten und Notwendigkeiten orientiert werden kann. Die Nutzungsabgabe könnte z.B. zwischen 2-4% des aktuellen Verkehrswertes liegen.

Die Nutzungsabgabe ist für bestimmte soziale Aufgaben zweckgebunden (z.B. Finanzierung von Kindergärten, Heimen, Sozialhilfe, etc.). Die Nutzungsabgabe ist keine allgemeine Finanzierungsquelle für die Stadt. Damit soll verhindert werden, daß diese zum Spielball kurzfristiger parteipolitischer Interessen wird.

4. Bodennutzungsrecht folgt Immobilienbesitz:

Wird ein Gebäude, dessen Grund der Stiftung Bodenfreiheit gehört, verkauft, so folgt das Nutzungsrecht automatisch dem Eigentum der Bebauungen. Die Stiftung Bodenfreiheit hat hier kein Eingriffsrecht!

5. Aufbau der Stiftung Bodenfreiheit:

Es wäre theoretisch denkbar, dieses neue Bodenrecht durch eine gesamtgesellschaftliche Vereinbarung insgesamt einzuführen, wie es eine 1997 gestartete Volksinitiative in der Schweiz vorschlägt. Doch damit würde man gewaltigste Widerstände erzeugen, da nicht jeder diesen Schritt mitgehen will, bzw. die Entschädigungsforderungen unbezahlbar wären. Viel sinnvoller ist es deshalb, dieses neue Bodenrecht in Konkurrenz zum bestehenden Modell einzuführen und das weitere einem Entwicklungsprozeßzu überlassen.

Da eine wirtschafts- und sozialfreundliche Bodenordnung von großem öffentlichen Interesse ist, sollten Kommunen eine Stiftung Bodenfreiheit gründen und ihr allen städtischen Grund übertragen. Die Kommune muß dann auch Nutzungsgebühren bezahlen. Da damit aber soziale Zwecke, die sonst von der Stadt auch finanziert werden müßten, bezahlt werden können, entstehen für die Stadt keine finanziellen Mehrbelastungen. Finanziell gesehen wird es der Stadt sogar besser gehen, denn sie wird ihren Grund gezielter nutzen, da sie für die Nutzung zahlen muß.

Stück für Stück soll dann die Stiftung Bodenfreiheit Grund aufkaufen. Für Bauherren könnte es attraktiv sein, wenn die Stiftung den Grundstückskauf vorfinanziert und er damit weniger Kredit aufnehmen muß. Durch die nachfolgenden jährlichen Nutzungsabgaben könnte die Stiftung dann die Kredite, die sie aufnehmen mußte, abbezahlen. Im Laufe der nächsten Jahrzehnte soll die Stiftung so Stück für Stück Grund erwerben.

6. Verstärkung durch eine grundstücksorientierte Erhöhung der Grundsteuer:

Einen ähnlichen wenn auch abgeschwächten Effekt wie durch das neue Bodenrecht der Stiftung Bodenfreiheit könnten Kommunen durch eine Erhöhung der Grundsteuer, die dann nur noch auf den Grund und nicht mehr auf die Bebauung bezogen sein sollte, erreichen. Die zusätzlichen Grundsteuereinnahmen sollten der Boden-Stiftung zufließen, so daß diese weitere Grundkäufe finanzieren kann.

Auswirkungen des neuen Bodenrechtes:

Aller Boden, der von der Stiftung Bodenfreiheit übernommen wird, wird sofort kaufpreisfrei, Spekulationsgewinne verschwinden. Deshalb sinken, trotz laufender Nutzungsabgabe, die Kosten der Bodennutzung. Für die Beteiligten würde das bedeuten:

Kommunen:

Die Nutzungsplanungen und -veränderungen werden vereinfacht. Durch eine variable Nutzungsabgabe bekommen die Kommunen wieder mehr Gestaltungsspielraum in der Entwicklung ihrer Infra- und Sozialstruktur. Unerwünschte Spekulationsnutzungen und soziale Asymmetrien würden ausgeschaltet. Durch die Nutzungsabgabe wird der Grund besser genutzt, so daß in geringerem Ausmaß die Ausweisung von neuen Flächen notwendig ist.

Die Kommunen erhalten eine langfristige und stabile Finanzierungsquelle für öffentliche Aufgaben. Je nach Ausbau der Stiftung könnten die Kommunen entsprechend auf Steuern und Abgaben verzichten. Der Boden ist nicht durch eine individuelle Leistung erzeugt worden, sondern er ist ein Geschenk der Natur und insoweit eine "gemeinschaftlich Leistung". Für eine initiative und unternehmerische Gesellschaft ist es förderlich, wenn gemeinschaftliche Aufgaben durch gemeinschaftliche Leistungen finanziert werden, anstatt durch die Belastung individueller Leistungen.

Eigenheim-Eigentümer:

Das verkäufliche Eigentum am Haus bleibt vollständig erhalten. Das vermögenslose Bodeneigentum samt Nutzungsabgabe geht beim Haus-Verkauf einfach automatisch auf den nächsten Eigentümer über. Das Haus kann dadurch auch jederzeit vererbt werden. Da Spekulationsgewinne beim Boden wegfallen, sinken die anteiligen Grundkosten bei Neubauten. 

Mieter:

Die Reduzierung der Grundkosten führt zu einer deutlichen Mietreduktion. Die Nutzungsabgabe würde separat ausgewiesen und ist so jederzeit kontrollierbar. Der Erhöhung der Mieten wären dadurch Grenzen gesetzt, daß Bauen ohne Landerwerb jederzeit eine echte Alternative darstellt.

Allgemeines Gewerbe:

Die unternehmerische Situation des Gewerbes wird erheblich verbessert, da für Grund und Boden keine Investitionsmittel mehr aufgewendet werden müssen. Da die Nutzungsabgabe gegenwartsbezogen ist, entfallen auch die Wettbewerbsverzerrungen zwischen jungen Firmen und alten mit günstigem Landbesitz. Landreserven zur Betriebserweiterung sind auch in Zukunft möglich, allerdings unter Zahlung der Nutzungsabgabe. Damit wird die Reservehaltung auf das wirklich notwendige Maß eingeschränkt.

Immobilien-Gewerbe:

Das Baugewerbe wird durch die verbilligte und damit vermehrte Bautätigkeit gefördert. Der Immobilienmarkt wird um den Faktor Boden verkürzt. Der Handel mit Liegenschaften ist jedoch weiterhin uneingeschränkt möglich. Einschränkungen gibt es für dieses spezielle Gewerbe eigentlich nur in der Möglichkeit, am Land selbst spekulativ zu verdienen.

Banken, Versicherungen, Pensionskassen:

Eine Kreditierung von Grund und Boden ist in Zukunft nicht mehr nötig. Damit werden langfristig enorme Kapitalien für andere produktive Verwendungen frei.

Wenn Boden kreditiert wurde und gleichzeitig als Sicherheit gilt, verkürzt sich die Kreditsumme des Bauherrn. Ein Ausfall von Sicherheiten findet allerdings dort statt, wo eingetragene Grundpfandrecht andere Kredite absichern sollen. Diese Sicherheit muß durch sinnvollere, am Betriebsgeschehen orientierte Formen ersetzt werden.

Anmerkung:

- Diese Ausarbeitung basiert wesentlich auf: Udo Herrmannstorfer: Grundzüge eines neuen Bodenrechtes, Arbeitspapier des Institut für zeitgemäße Wirtschafts- und Sozialgestaltung, Dornach vom 14.2.1991 sowie: Scheinmarktwirtschaft, Seite 69 ff., Stuttgart 1991

- Die Trias-Stiftung arbeitet an einer Neutralisierung der Bodenrechte. Kontakt: http://www.stiftung-trias.de

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