Assoziative Wirtschaft - oder die Geburt des ökonomischen Liebewesens

von Thomas Mayer, 1993

- Die Assoziative Wirtschaft ist die grundsätzliche Alternative zu unserem Wirtschaftssystem und bietet Überraschendes: Sie baut völlig auf der unternehmerischen Initiative und Freiheit auf und macht gleichzeitig staatliche Einflußnahme in das Wirtschaftsleben unnötig!

- In der Entwicklung unserer Marktwirtschaft im 20. Jahrhundert legt sich die Assoziative Wirtschaft zunehmend frei. Nur bemerkt dies fast keiner, da die Begriffe der Assoziativen Wirtschaft fast nicht bekannt sind.

- Mit der Assoziativen Wirtschaft geht es zwar um eine Systemalternative, gleichwohl kann aber jeder in seinem Unternehmen und seinem Umfeld damit anfangen.

- Im sozialen Organismus ist die Brüderlichkeit das Gestaltungsmotiv der arbeitsteiligen Weltwirtschaft. In der Assoziativen Wirtschaft tritt dieses Gestaltungsprinzip aus der Verborgenheit hervor. Man hat es also mit der Geburt des ökonomischen Liebewesens zu tun.

Die Alternative zur Planwirtschaft und existierenden Marktwirtschaft

Die Assoziative Wirtschaft wurde Anfang des Jahrhunderts von Rudolf Steiner entdeckt und seither von weiteren Forschern betrachtet (1). Bei der Assoziativen Wirtschaft handelt es sich nicht um eine Utopie, die man erreichen will, sondern es handelt sich um heute wirkende Kräfte. Ich will versuchen, die Grundzüge der Assoziativen Wirtschaft in wenigen Thesen zusammenzufassen:

1. Die Freiheit des Einzelnen ist das Fundament der modernen Gesellschaft. Deshalb muß die Initiativfreiheit des Unternehmers und die Konsumfreiheit des Verbrauchers im Mittelpunkt einer Wirtschaftsordnung stehen.

2. Die Aufgabe der Wirtschaft besteht darin, die Bedürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen. Das Wirtschaftsleben besteht also aus Warenproduktion, Warenzirkulation und Warenkonsum.

Nach diesen ersten zwei Thesen überfällt jeden das großen Gähnen - solche Allgemeinplätze! Sicherlich, wir alle haben diese Sätze schon tausendmal gehört, nur - wer macht sich eigentlich klar, was sie bedeuten?

Die erste These ist die "Freiheitsthese". Sie wurde vom sogenannten "Sozialismus" mit seiner Planwirtschaft mißachtet. Er ist daran zugrundegegangen.

Die zweite These besagt, daß wir in der Wirtschaft arbeiten, um die Bedürfnisse der anderen zu befriedigen. Da andere es genauso machen, werden auch unsere Bedürfnisse befriedigt. Deshalb ist diese These die "Brüderlichkeitsthese". Jedoch, wenn man dies so präzisiert, dann sträuben sich jedem "Marktwirtschaftler" die Haare. Denn der Quellort wirtschaftlicher Tätigkeit sei ja nicht die Brüderlichkeit, sondern der Egoismus. Man arbeitet doch, um Geld zu verdienen und Gewinne zu machen. Die Befriedigung der Bedürfnisse anderer sei nur Mittel zum Zweck. Durch den Mechanismus des freien Marktes werden die Egoisten in Konkurrenz gebracht zum Wohle der Konsumenten, d. h. des sozialen Ganzen. Der anonyme Marktmechanismus richtet also alles wieder ins Reine nach dem Motto "Jeder sorgt für sich und der liebe Gott für uns alle".

Jedoch, der liebe Gott bzw. der anonyme Marktmechanismus richtet es dann doch nicht immer. Also muß der Vater Staat einspringen, um die sozialen Deformationen wieder glattzubügeln. Das heißt dann "soziale Marktwirtschaft". Zum einen gelingt dieses Glattbügeln immer weniger, zum anderen führt dies zu einer ständig zunehmenden Staatsquote. Auch wenn sich Marktwirtschaftler über hohe Staatsquoten aufregen - da sie auf die anonyme "Weisheit" des Marktmechanismus setzen, schaffen sie selbst die Ursache für weitgehendes wirtschaftliches Engagement des Staates.

Udo Herrmannstorfer, Unternehmensberater und Sozialwissenschaftler beschreibt dieses Problem noch deutlicher: "Unter dem Primat des Marktes werden alle Wirtschaftenden von der Verantwortung für das soziale Ganze freigestellt:

- so entlassen z.B. Unternehmer aus Rationalisierungsgründen Mitarbeiter, obschon sie andersweitig nicht gebraucht werden;

- der Bauer produziert mehr Milch, obwohl gesamthaft niemand mehr weiß, wo man sie absetzen kann;

- Konsumenten kaufen Billigprodukte, deren Preise den Produzierenden kaum zum Überleben reichen und beklagen sich dann, daß ihre eigenen Arbeitsplätze und damit Einkommensmöglichkeiten durch das Verhalten anderer gefährdet werden.

Die Marktwirtschaftstheorie kennt keinen bewußt herbeigeführten Interessenausgleich und auch kein Gespräch darüber. Gesamtsoziale Fragen und Probleme werden auf die Gesellschaft und damit die Politik überwälzt; das Unternehmen ist nur für seine eigene Bilanz verantwortlich, der Konsument nur für seinen eigenen Geldbeutel. Erst wenn uns die Folgen des eigenen Verhaltens z.B. in Form von Steuern oder Subventionen wieder erreichen, wachen wir auf und beschweren uns." (2)

Hier wird der wesentliche Unterschied zwischen der Marktwirtschaft und der assoziativen Wirtschaft sichtbar. Herrmannstorfer beschreibt das Wesen der assoziativen Wirtschaft nun so: "Einen Fortschritt wird es erst geben, wenn innerhalb der Wirtschaft selbst der Interessenausgleich bewußt gestaltet werden und damit den Marktmechanismus ablösen kann. Interessenausgleich dieser Art bedingt aber, daß entsprechende Bewußtseinsorgane innerhalb des Wirtschaftslebens gebildet werden müssen, die nicht nur die Produzierenden umfassen, sondern auch die Konsumierenden. Aus dem künstlichen Gegensatz von Angebot und Nachfrage muß ein Miteinander werden, das sich auf vertraglicher Grundlage auslebt. Nicht von Vergesellschaftung der Wirtschaft ist hier die Rede, sondern von einem gleichberechtigten Geltendmachen von Interessen. (...) Das Gesamtwohl entsteht eben nicht mehr durch die Addition von Egoismen, sondern in den Handlungen der einzelnen muß dieses Gesamtwohl mitenthalten sein. Die geeignete Form für eine solche Interessenabstimmung ist der Vertrag." Damit sind wir bei der dritten These angelangt.

3. Assoziationen sind Beratungs- und Kooperationsorgane zwischen Produzenten, Handel und Konsumenten auf der Grundlage der Vertragsfreiheit. Sie arbeiten regional und/oder branchenbezogen. Es geht in Assoziationen nicht um die Übervorteilung des anderen, sondern um die bestmögliche Ermöglichung der benötigten Leistungsprozesse zum gegenseitigen Vorteil.

Viele werden jetzt das Problem haben, daß sie zwar die Aufgabenstellung einer Assoziation verstanden haben, sich aber nichts konkretes darunter vorstellen können. Es wird letztlich unmöglich sein, die Struktur von Assoziationen am grünen Tisch auszumalen, sondern es handelt sich darum, zu beginnen. Die konkrete Form ergibt sich aus den Lebensvorgängen.

Eine mögliche Beschreibung: Betriebe ab einer bestimmten Größe (nicht Freiberufler und Kleinbetriebe) können einer Assoziation angeschlossen sein. Die zentrale Stellung innerhalb einer Assoziation nimmt die Assoziationsbank ein. Die Betriebe führen ihre Überschüsse (abzüglich Rückstellungen) an die Assoziationsbank ab, um damit Unterschußunternehmen (z.B. soziale Einrichtungen, Straßenbau, Forschung, etc.) zu finanzieren. (Insoweit übernimmt die Assoziationsbank die heutige Aufgabe des Finanzamtes.) "Den Leitern der Assoziationsbanken obliegt es, mit den angeschlossenen Unternehmen einerseits zu vereinbaren, für welche Zuwendungen einmaliger oder laufender Art sich die Assoziationsbank im Zusammenhang mit Investitionen, Erneuerungen, Schadensfällen und mit Subventionen verpflichtet, und andererseits zu welchen Geld-Abgaben an die Assoziationsbank sich die Unternehmen ihrerseits verpflichten." (3)

Jedem einzelnen Unternehmen wird ein Assoziationskuratorium angegliedert sein. "Das Kuratorium bildet sich aus der Initiative des Unternehmers". Es "ist ein rein beratendes Organ. Ihm gehören außer den leitenden Persönlichkeiten des Unternehmens die Leiter der Banken an, mit denen das Unternehmen assoziiert ist, ferner leitende Persönlichkeiten aus dem Bereich von Vorlieferanten und demjenigen Bereich, für welchen das Unternehmen seine Erzeugnisse produziert. Auch können Sachverständige aus den verschiedenen Sparten des sozialen Lebens ständig oder vorübergehend hinzugezogen werden". "Aus dem gemeinsamen Beraten heraus fällen die zu selbstverantwortlichem Leiten je ihrer Unternehmen bevollmächtigten Persönlichkeiten ihre Entscheidungen so, daß sich daraus ein möglichst reibungsloses Zusammenwirken im assoziativen Tätigkeitsfelde zu ergeben vermag." (4)

Entscheidend ist, daß sich in den Assoziationen nicht eine neue Klasse von Funktionären herausbildet, sondern daß die tatsächlich wirtschaftlich Handelnden durch entsprechende Beratungsorgane in die Lage versetzt werden, aus einem Gesamtüberblick ihre Entscheidungen zu fällen.

Nach dieser ersten kurzen Skizze des Wesens von Assoziationen stellt sich sofort ein Einwand. Solange die Betriebe auf Gewinnmaximierung ausgerichtet sind, kann es doch keine Assoziative Wirtschaft geben? Damit kommen wir zur vierten These.

4. Die Unverkäuflichkeit von Kapital und Grund und Boden ist eine Voraussetzung für assoziative Prozesse.

In Assoziationen geht es um ein Miteinander von Produzenten, Händlern und Konsumenten zum Zwecke der bestmöglichsten Erstellung einer wirtschaftlichen Leistung. Diesem "wirtschaftlichen Interesse" stehen "Eigentums- bzw. Gewinnmaximierungsinteressen" entgegen. Daraus folgt: "Assoziative Prozesse können sich nur dann entwickeln, wenn keiner der Wirtschaftspartner Vorrechte von außerhalb der wirtschaftlichen Vorgänge beansprucht. Dies aber ist vor allem beim heutigen Eigentumsrecht an Produktionsmitteln - wozu auch Grund und Boden gehört - der Fall." (5)

Nötig ist also die Unverkäuflichkeit der Produktionsmittel und des Boden. Unverkäuflichkeit heißt, daß der Unternehmer zwar ein Nutzungsrecht besitzt, dieses Nutzungsrecht aber nicht verkaufen, sondern nur an einen Nachfolger übertragen kann. Wem gehört aber dann das Unternehmen, wer ist der Eigentümer? Die Antwort der Assoziativen Wirtschaft ist auf den ersten Blick erstaunlich: Es bedarf keines Eigentümers, Ziel ist die "Neutralisierung" des Kapitals! Man bemerkt an diesem Punkt sofort wieder den eklatanten Unterschied zur Planwirtschaft, die eben nicht eine Neutralisierung, sondern eine Verstaatlichung des Kapitals anstrebt. Und man bemerkt auf der anderen Seite einen Denkwiderstand im eigenen Kopf. Denn der Eigentumsbegriff ist in unserer Gesellschaft ein so unverrückbares Dogma, daß zum einen alles irgendjemandem gehören muß und wir zum anderen aufgrund dieser Denkgewohnheit Schwierigkeiten haben, uns anderes überhaupt vorzustellen.

Sofort kommt die Frage: Wenn es keine Eigentümer mehr, sondern nur noch Nutzer der Produktionsmittel gibt, woher kommt denn dann das Geld, um z.B. eine neue Maschine zu kaufen, um zu investieren oder ein Unternehmen zu gründen? Die Antwort darauf ist einfach: Das Geld kommt von einem Geldgeber, sei es von einer Bank oder von einer Privatperson. Doch dieses Geld taucht im Unternehmen nur als Kredit, nicht jedoch als Eigentumsrecht auf. Der Kredit muß natürlich zurückbezahlt werden und der Unternehmer haftet im Rahmen der Gesetze dafür. Möglich ist auch eine Selbstkreditierung und ich könnte mir als Unternehmer jederzeit meinen Kredit wieder ausbezahlen, ohne jedoch den Betrieb verkaufen zu können.

Diese Neutralisierung des Kapitals hat entscheidende Auswirkungen auf den Unternehmensstil. Wenn ein Unternehmen floriert, kann sich der Unternehmer ein höheres Gehalt auszahlen, er kann das Unternehmen aber nicht verkaufen. Ein Unternehmen könnte also kein Spekulationsobjekt mehr sein. Dadurch tritt die eigentliche Aufgabe eines Unternehmens wieder in Vordergrund. Ein Unternehmen ist dazu da, daß etwas in ihm unternommen wird. Die eigentlichen wirtschaftlichen Vorgänge der Warenproduktion, Warenzirkulation und des Warenkonsums werden im Bewußtsein der Unternehmer nicht mehr wie bislang durch Eigentumsinteressen getrübt. Dies erst ermöglicht assoziative Prozesse.

5. Durch die Neutralisierung des Kapitals löst sich der Gegensatz Arbeitgeber-Arbeitnehmer auf.

Wenn es keine Betriebseigentümer in bisherigen Sinne mehr gibt, besteht die Möglichkeit für ein neues Verhältnis zwischen Arbeitsgebern und Arbeitnehmern - alle sind Mitarbeiter bzw. Mitunternehmer.

6. Die Assoziationen übernehmen die meisten Aufgaben, die heute der Staat innehat, wie soziale Grundsicherung, Finanzierung des Geistes- und Kulturlebens, Infrastrukturbildung etc.. Durch diese Verantwortlichkeit werden die gesamtgesellschaftlichen Gesichtspunkte in den Assoziationen und dem Bewußtsein aller am wirtschaftlichen Geschehen Beteiligten präsent. Die staatlichen Aufgaben beschränken sich auf die Gesetzgebung, Gesetzeseinhaltung und Rechtsprechung.

In den letzten Jahren wird immer häufiger gefordert, daß staatliche Aufgaben durch eigenständige Unternehmen durchgeführt werden sollten, mit dem Ziel der Kostenersparnis und besserer Kundennähe. Diese Unternehmen könnten Glied einer Assoziation sein.

Der Staat wird dann nur noch für den rechtlichen Rahmen benötigt. Alle "Verteilungs- und Wirtschaftspolitik" wird innerhalb der Assoziationen geregelt und nicht mehr von Politikern. Jedoch darf man sich nun nicht eine neue Sorte von Assoziationspolitikern vorstellen, die per Dekret ihre Vorstellungen durchsetzen, denn alle assoziativen Prozesse beruhen auf Vertragsbasis. D.h. diese "Wirtschaftspolitik" kann nicht verordnet werden, sondern entsteht durch die konkreten Vertragsabschlüsse zwischen Unternehmen und den Assoziationsbanken. Da in den Assoziationen die gesamtgesellschaftlichen Fragen besprochen werden und der Zwang Gewinnmaximierung durch die Neutralisierung des Kapitals aufgehoben ist, wird diese dezentrale und selbstverwaltete "Wirtschaftspolitik" zum Guten führen.

Nach diesem ersten Überblick über die Assoziative Wirtschaft wird bei vielen die Empfindung entstehen, "Ach diese Idealisten! Solchen Utopien lassen sich doch nicht verwirklichen!". Eine Antwort auf diese Empfindung versucht die siebte These:

7. Die Entwicklung unserer Wirtschaft in diesem Jahrhundert geht in großen Schritten auf die Assoziative Wirtschaft zu.

Dazu einige Schlaglichter:

- Durch die weltweite Arbeitsteilung kann jeder nur für andere arbeiten und andere für sich arbeiten lassen. Dieses Faktum wird von Rudolf Steiner immer wieder hervorgehoben. "Die Arbeitsteilung drängt den sozialen Organismus dazu, daß der einzelne Mensch in ihm lebt nach den Verhältnissen des Gesamtorganismus; sie schließt wirtschaftlich den Egoismus aus." (6) Ist der Egoismus dennoch vorhanden, so widerspricht das der realen Verfaßtheit des sozialen Organismus und führt zu sozialen Deformationen. Oder mit anderen Worten: Auch jeder "klügere" Egoist kann bemerken, daß eine Wirtschaft, die auf Arbeitsteilung beruht, nur dann funktioniert, wenn es allen gut geht. D.h. jeder klügere Egoist wird auf das Wohl des Ganzen bedacht sein, womit wir bei der Assoziativen Wirtschaft angelangt sind.

- Preis- und Mengenabsprachen, vor allem im grenzüberschreitenden Verkehr oder bei notleidenden Industrien sind inzwischen üblich - ein orginäres Arbeitsfeld von Assoziationen. Bislang finden diese Absprachen jedoch vorallem durch staatliche Organe statt.

- Es hat sich in der Praxis schon längst herausgestellt, daß das Arbeitsmotiv nicht nur die Lohntüte ist. Andere Motive sind mindestens genauso bedeutend: soziale Achtung und Integration, Persönlichkeitsbildung durch die Arbeit, Sinn des Lebens, etc.. Wer in der Personalführung diesen Sachverhalt vergißt, erzeugt eine Motivationskrise. Man sollte sich in diesem Zusammenhang nicht davon täuschen lassen, daß verbal oft nur vom Verdienst gesprochen wird. Die Wirklichkeit ist viel feiner und vielschichtiger. Um Motivationskrisen zu vermeiden, bedarf es also der Vergegenwärtigung des assoziativen (d.h. des Gesamt-)Zusammenhanges des Unternehmens, aus dem sich den einzelnen Mitarbeitern die Sinnhaftigkeit ihrer Tätigkeit ergibt.

- In den neuen Modellen der Mitarbeiterbeteiligung kündigt sich die Auflösung des Arbeitgeber - Arbeitnehmer Gegensatzes entsprechend der Assoziativen Wirtschaft an.

- Die moderne Marketingidee stellt den Kunden in den Mittelpunkt des Geschehens. Während früher eine Produktions-, Produkt- oder Verkaufsorientierung als Unternehmensphilosophien vorherrschten, geht es heute zunehmend um ein aktives und bewußtes Ausgehen von den Bedürfnissen der Kunden. Der Kunde ist nicht mehr Objekt des wirtschaftlichen Geschehens, sondern aktiver Teilhaber und Mitgestalter. In der modernen Marketingidee kündigt sich also das Unternehmensverständnis der Assoziativen Wirtschaft an.

- Die gewaltige Kartell- und Konzernbildungen führen dazu, daß vormals außerbetriebliche und damit den Marktprozessen unterworfene Vorgänge zu innerbetrieblichen werden und damit der unternehmerischen Planung, aber auch der Solidarität unterliegen. Da werden Kapazitäten weltweit geplant und aufeinander abgestimmt; da werden Betriebsverluste des eines Unternehmens durch Gewinne anderer ausgeglichen, was, als Vorschlag bei Nichtkonzernbindung, als sozialutopische Verstiegenheit gebrandmarkt würde. Da unsere Wirtschaftslehre diese faktischen Entwicklungen nur defensiv angeht - als mehr oder weniger notwendige Sündenfälle der Marktwirtschaft - und sich weigert in Richtung auf die Assoziative Wirtschaft weiterzudenken, geraten wir durch die Unternehmenskonzentration zunehmend in eine gefährliche Falle: Das Prinzip des Eigentumsegoismus besteht ja nach wie vor, jedoch fehlt die Zähmung durch das Konkurrenzprinzip. Nötig wäre also eine neue Form der sozialen Einbindung des Egoismus durch die Assoziative Wirtschaft.

- In fast allen größeren Unternehmen sind inzwischen die Eigentümer in den Hintergrund getreten. Die unternehmerische Geschäftsführung wird vom Management, das über ein weitgehendes Nutzungsrecht über die Produktionsmittel verfügt, erfüllt. Hier bereitet sich eine Neutralisierung des Kapitals vor. Wenn der Eigentümer für den Betriebsablauf eigentlich nicht mehr gebraucht wird, dann ist der Weg nicht mehr weit dahin, daß die Eigentumsrechte in Kredite umgewandelt und das Unternehmenskapital damit neutralisiert wird.

- Es gibt inzwischen viele ganz oder teilweise neutralisierte Unternehmen. Der Bertelsmannkonzern gehört z.B. zu 68% der Bertelsmannstiftung, zu den anderen Teilen den Mitarbeitern. Der Bertelsmannkonzern muß also kaum mehr private Gewinnabsichten befriedigen, er steht aber unter der Verpflichtung, Überschüsse für die Finanzierung des Unterschuß-Unternehmens Bertelsmann-Stiftung zu erwirtschaften.

8. Man kann jederzeit mit der Assoziativen Wirtschaft beginnen.

Jeder Unternehmer kann sofort beginnen, einen Assoziativen Zusammenhang aufzubauen und das Eigenkapital zu neutralisieren. Letztlich werden wir auch nur so zu einer Assoziativen Wirtschaft kommen. Aus dem bisher angeführten müßte klar geworden sein, daß Assoziationen nicht verordnet oder gesetzlich eingeführt werden können. Es können jedoch gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, die die Bildung von Assoziationen erleichtern.

Anmerkungen:

(1) Eine ausgewählte Literaturübersicht:

Rudolf Steiner: Die Kernpunkte der sozialen Frage, GA 23, Aufsätze über die Dreigliederung des sozialen Organismus und zur Zeitlage, GA 24

Sozialwissenschaftliches Forum. Band 1: Das Soziale Hauptgesetz. Beiträge zum Verhältnis von Arbeit und Einkommen. Stuttgart 1986.

Sozialwissenschaftliches Forum Band 2: Die wirtschaftlichen Assoziationen.

Beiträge zur Brüderlichkeit im Wirtschaftsleben, Stuttgart 1988.

Sozialwissenschaftliches Forum Band 3.: Wesen und Funktionen des Geldes. Stuttgart 1989.

Udo Herrmannstorfer: Scheinmarktwirtschaft. Die Unverkäuflichkeit von Arbeit, Boden und Kapital, Stuttgart 1991

Wolfgang Latille: Assoziative Wirtschaft, Ein Weg zur sozialen Neugestaltung, Stuttgart 1985

Wilhelm Schmundt: Erkenntnisübungen zur Dreigliederung des sozialen Organismus, Achberg 1982, Zeitgemäße Wirtschaftsgesetze, Achberg 1980

Georg F. von Canal: Geisteswissenschaft und Ökonomie, Die wert-, preis- und geldtheoretischen Ansätzen in den ökonomischen Schriften Rudolf Steiners, Schafffhausen 1992

Dieter Suhr: Alterndes Geld, Das Konzept Rudolf Steiners aus geldtheoretischer Sicht, Schaffhausen 1988

(2) Udo Herrmannstorfer, Die Zukunft wagen - Die Verantwortung der Schweiz für Europa, 1993, Institut für zeitgemässe Wirtschafts- und Sozialgestaltung, Dornach, S. 44 ff..

(3) Wilhelm Schmundt, Zeitgemäße Wirtschaftsgesetze, Achberg 1980, S. 28.

(4) Wilhelm Schmundt, dto. S. 23.

(5) Udo Herrmannstorfer, Die Zukunft wagen - Die Verantwortung der Schweiz für Europa, 1993, Institut für zeitgemässe Wirtschafts- und Sozialgestaltung, Dornach, S. 44 ff..

(6) Rudolf Steiner, Die Kernpunkte der Sozialen Frage, Taschenbuchausgabe Dornach 1980, S. 106

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